Die Wildvogelstation des NABU Berlin

Die Wildvogelstation des NABU Berlin

Marc Engler – Leiter der NABU Wildvogelstation Berlin
Foto: Alexandre Courtiol


Noch ist es ruhig in der Wildvogelstation des Naturschutzbundes Berlin, denn in den letzten Tagen wurde „nur“ ein Waldkauz gesund gepflegt und kann demnächst an seinem Fundort entlassen werden.

Trotzdem hat das Team unter der Leitung von Marc Engler viel zu tun, denn es nutzt die „Ruhe vor dem Sturm“ um die Gehege neu einzurichten, sie umzubauen oder instand zu setzen. Denn ihre wieder in großer Zahl zu erwartenden Pfleglinge sollen möglichst kurze Zeit in der Wildvogelstation verbleiben und deshalb müssen die „Krankenzimmer“ bedarfsgerecht gestaltet sein, damit die Genesung schnell erfolgen kann.

Spätestens mit Beginn der Brutzeit der Stockenten, die bereits Ende März anfängt, wird die Fachkompetenz der Mitarbeiter:innen mehr und mehr gefragt sein.

Vom Balkon ins Wasser

Denn die Berliner Stockenten haben immer mehr den urbanen Bereich für die Aufzucht ihrer Nachwuchses erobert. So kommt es häufig vor, dass die Stockenten Balkone (auch im 15. Stock) als Brutplatz auswählen. Hier sind sie vor natürlichen Feinden (z.B. Füchsen) geschützt und können die Fürsorge ihrer „Herbergseltern“ genießen.

Damit diese temporäre Verbindung zwischen Mensch & Tier eine für alle Beteiligten friedliche Zeit wird, hat die Wildvogelstation einen Ratgeber veröffentlicht: Stockentennest auf dem Balkon – was tun?

Doch spätestens mit dem Schlupf der Küken kommen dann die Expert:innen ins Spiel, denn nun heißt es, den Entennachwuchs inkl. Entenmama an einen nahe gelegenes Gewässer zu bringen, da die Kleinen sonst den Gefahren des städtischen Lebens oder des Verhungerns ausgeliefert wären.

Stockentenjunge mit Mutter
Foto: C. Fabian

Mit Beginn der Balz- und Brutzeit sowie der Wiederkehr der Zugvögel müssen die Mitarbeiter:innen um Herrn Engler im wahrsten Sinne des Wortes ein offenes Ohr haben. Sie werden wieder sehr oft zum Telefonhörer greifen, um die vielen Fragen bzw. Hilfeersuchen der Berliner Vogelfreund:innen entgegen zu nehmen. So registrierten sie im letzten Jahr ca. 4.350 Telefonate, welche hauptsächlich zwischen April und September geführt wurden. Das sind in der Saison grob geschätzt ca. 30 Anrufe/ Werktag!

Und genau in diesem Zeitraum füllen sich auch die Volieren mit verletzten oder hilflosen Vögeln, um die sich die Expert:innen auch kümmern müssen. 2021 wurden von ihnen 1.177 Wildvögel aus 37 Arten versorgt. Die häufigsten Ursachen für die Einlieferung in die Pflegestation sind Verletzungen, die durch Scheibenanflug, Kollision mit Fahrzeugen und Angriffe von freilaufenden Katzen verursacht werden.


Doch was passiert mit einem gefundenen, verletzten Wildvogel?

Pflegestation für Greifvögel
Volieren für Krähenvögel – gerade im Umbau
Fotos: C. Fabian


Es wird in der Tierklinik der FU Berlin tierärztlich versorgt und die Chancen auf erfolgreiche Wiederauswilderung eingeschätzt. Dann übernehmen die Tierpflegerinnen der Wildvogelstation alles Weitere.

Die Aufenthalte der Vögel sind dort sehr individuell organisiert, um die Heilungschancen optimal auszuschöpfen. Greifvögel werden zum Beispiel blickgeschützt untergebracht, um das Stresslevel so gering wie möglich zu halten. Eine Kameraüberwachung gewährleistet 24h Einblicke und somit ein bedarfsgerechtes Handeln bei den Pfleglingen.

Krähenvögel hingegen werden in offener gestalteten Volieren gehalten, damit sie mit der umliegenden Krähenpopulation kommunizieren können, um ihre Position in dieser Gemeinschaft schon vor dem Freiflug klären zu können.

Bei sensiblen Vogelarten, wie z.B. dem Mauersegler, ist eine Handaufzucht hilfsbedürftiger Jungtiere sehr kompliziert. Deshalb favorisiert das Team hier das sogenannte Adoptionsverfahren. Hierfür wurden spezielle Nisthilfen für Mauersegler entwickelt, die ein Zusetzen von Nestlingen ermöglicht. Eine Erfolgsgeschichte ist hier nachzulesen.

Doch egal um welche Vogelart es sich handelt, eines gilt für alle Pfleglinge: Erst wenn der Vogel selbständig fressen und fliegen kann, wird er wieder frei gelassen und das kann schon mal 3-4 Wochen dauern…


Einfache Maßnahmen, die helfen

Neben der Pflege der Vögel, ist vor allem die Beratung für ein gemeinsames Miteinander zwischen Mensch & Tier, Aufklärung von Irrtümern – Nein, Rabeneltern lassen ihre Kinder nicht im Stich! – und Vermittlung von Hilfsangeboten am wichtigsten. Denn darin sehen sie einen fundamentalen Beitrag für die Förderung von Naturverständnis und -verbindung bei der Berliner Bevölkerung.

So gibt es beispielsweise eine Handvoll an Vogelschutzmaßnahmen, die jede/r beachten und umsetzen kann:

  • verwilderte Ecken und/oder dornenbehaftete Sträucher im Garten belassen
  • Futter- und Wasserstellen für Vögel katzensicher aufstellen/-hängen
  • Hauskatzen im Frühjahr zumindest nicht in den Morgenstunden und auch nicht unbeaufsichtig rauslassen
  • bei großen Fenstern Vogelschutzfolien anbringen (die bekannten Vogelsilhouetten helfen nicht)
  • am besten im Frühjahr (während der Balzzeit) keine Fenster putzen
  • wenn ein scheinbar hilfloser Vogel gesichtet wird, dann erst beobachten, denn viele Vogeleltern kümmern sich auch außerhalb des Nestes liebevoll um den „Nestflüchter”

Gemäß dem Motto „Verletzte Wildtiere gehören in Expertenhand“ soll man auf gar keinen Fall unüberlegt das Fundtier in eigene Obhut nehmen, sondern die entsprechenden Stellen kontaktieren und die Beobachtungen über die Beeinträchtigungen des Tieres mitteilen:

Wildvogelstation: 030 54 71 28 92
Kleintierklinik Düppel:
Oertzenweg 19b
14163 Berlin Zehlendorf

Bitte beachten: Die Abgabe sollte nach Möglichkeit von Montag bis Freitag von 8:30 – 15:30 Uhr erfolgen, da in dieser Zeit spezialisiertes Personal anwesend ist. Alle anderen Zeiten sollten Ausnahmen sein. Bitte planen Sie Wartezeit ein, da die Klinik eine der wenigen Kliniken Berlins ist, in der entsprechend viele Notfälle behandelt werden, so dass es sein kann, dass eine unmittelbare Untersuchung Ihres Findlings ggf. nicht immer möglich ist.

Für Stadt-/Haustauben: Tierheim Berlin

Zur Einschätzung der Fundsituation und Einleitung entsprechender Maßnahmen ist das von der Wildvogelstation erarbeitete Schema hilfreich: Wildvogel gefunden – was tun?

Die Einhaltung der Vorschläge für den Vogelschutz sowie Tipps bei Fund eines Tieres helfen den Tierschützer:innen der Wildvogelstation ungemein. Aber auch eine finanzielle Unterstützung in Form von Spenden und der Übernahme einer symbolischen Patenschaft entlastet das Team sehr, denn dadurch können Futtermittelbesorgung, Um-/Ausbauten von Volieren, Gestaltung des Geländes und ähnliches viel entspannter geplant und realisiert werden.

Freilassung eines Sperbers aus der Wildvogelstation
Foto: Alexandra Delor

Marc Engler und seine Kolleginnen bedanken sich schon jetzt für jegliche Unterstützung und sehen der kommenden Saison sehr zuversichtlich entgegen!


Wildvogelstation
Zum Forsthaus 7
12 683 Berlin
Tel.: (030) 54 71 28 92 oder (030) 50 96 77 66

Die Wildvogelstation erreicht stündlich eine Vielzahl an Anrufen, die das Team nicht alle gleichzeitig beantworten kann. Bitte hinterlassen Sie daher eine Nachricht mit Ihrem Namen, Telefonnummer, Adresse und Ihrem Anliegen, die Mitarbeiter*innen melden sich schnellstmöglich zurück.

Bitte beachten Sie: Bringen Sie Wildvögel nicht ohne vorherigen telefonischen Kontakt in die Wildvogelstation! Eine vorherige Beratung ist dringend nötig um abzuklären, wie dem Tier auf dem schnellsten Weg geholfen werden kann. Eine tierärztliche Versorgung und Diagnose sind in der Wildvogelstation nicht möglich. Erreichbarkeit: Mo-Fr, 9-17 Uhr | Am Wochenende: eingeschränkte Erreichbarkeit für Notfälle

Der Wiedehopf – Vogel des Jahres 2022

Der Wiedehopf – Vogel des Jahres 2022

Darf ich mich vorstellen…?

Mein Name ist Hopf, Wiede Hopf.

Ich fühle mich sehr geschmeichelt, zum Vogel des Jahres 2022 gekürt worden zu sein. Aber ganz ehrlich, das wurde aber auch mal wieder Zeit. Gibt es doch keinen einheimischen Vogel, der mir das Wasser reichen kann. Das muss hier mal in aller Bescheidenheit dargelegt werden.

Wie es begann

Aber der Reihe nach…

Vor zwei Jahren bin ich aus einem eher unscheinbaren grau gesprenkelten Ei geschlüpft. Etwa 18 Tage hat es gedauert bis ich mit meinem zarten Schnabel die Schale durchstoßen konnte und mich in einer kuschligen Baumhöhle wiederfand.

Den Platz dort musste ich mit meinen vier Geschwistern teilen, genauso wie das Futter. Das schleppte mein Vater unermüdlich heran, denn meine Mutter sorgte mit ihrem warmen Federkleid dafür, dass wir noch ziemlich kahlen Vogelbabys nicht auskühlten.

Als uns dann nach ungefähr zehn Tagen ein weicher Federflaum umschloss, machte sich auch unsere Mutter daran unseren unbändigen Hunger zu stillen. Meist waren es Insekten, die uns in den Schlund gestopft wurden.


Ganz so harmonisch wie das klingt, war das allerdings nicht. Eines Tages bekamen wir äußerst unangenehmen Besuch. Ein Marder hatte wohl großen Appetit auf zartes Geflügel. Dem haben wir es aber gezeigt! Wir gaben zischende Geräusche von uns, wie Schlangen. Da hat der Kerl schon ganz schön verdutzt geschaut. Aber als wir dann auch noch ein stinkendes Sekret aus unseren Bürzeldrüsen spritzen ließen, suchte der Marder schnell das Weite. Übrigens verfügt unsere Mutter auch über so einen Stink-Abwehr-Mechanismus.

Die Redewendung der Menschen „Du stinkst wie ein Wiedehopf“ entstammt wohl dieser Tatsache.


Auf eigenen Beinen

Nach etwa 28 Tagen wurden aus uns Nestlingen, Ästlinge. Eigentlich erklären die Namen alles. Erst im Nest, dann raus ins Geäst. Dort wurden wir noch fünf Tage gefüttert. Dann war Schluss mit lustig und wir mussten selbst für uns sorgen.

Der Wald mit seinen hohen alten Bäumen bot Schutz und auf freien Flächen suchte ich mir meine Nahrung. Ihr glaubt nicht, was es dort Leckeres zu finden gibt.

Käfer, Grillen, Heuschrecken, Schmetterlingsraupen, Spinnen, Larven und sogar Eidechsen und Regenwürmer pickte ich mit meinem leicht gebogenen sechs Zentimeter langen Schnabel aus der Erde.

Mächtig prächtig

Aus mir wurde ein prächtiges Kerlchen. Mit achtundzwanzig Zentimetern Länge, bin ich etwa so groß wie eine Drossel. Wirke aber deutlich größer und bin weitaus schöner.

Meinen Kopf ziert eine Haube, orange-braun gefärbt mit schwarzen Spitzen. Auch mein Gesicht, Hals und Nacken strahlen in warmen Orangetönen. Mein Rücken, inklusive der Flügel leuchten vornehm in schwarz/weiß. Mein prächtiges Erscheinungsbild wird von glänzend schwarzen Schwanzfedern abgerundet.

Wenn Menschen mich sehen, klappt ihnen der Unterkiefer herunter und sie bekommen vor Staunen kein Wort heraus

In der freien Landschaft auf Nahrungssuche, birgt das natürlich auch so seine Gefahren. Für Greifvögel wäre ich ein gefundenes Fressen. Aber trotz meiner auffälligen Färbung gelingt mir ein Trick immer gut. Wenn ich mir der Gefahr bewusstwerde, drücke ich mich flach auf den Boden und breite dabei die Flügel aus, erhobenen Hauptes erstarre ich.

Und ob ihr´s glaubt oder nicht, dabei verschmelze ich so mit dem Untergrund, dass der Greif keine Chance hat mich zu finden.

Zeichnung: Helena Renker

Als die Tage wieder kürzer und die Nächte kälter wurden, packte mich die Reiselust. Es muss so im August gewesen sein, als ich meine prächtigen Flügel ausbreitete, mich in die Lüfte erhob und gen Afrika segelte. Hui, war das schön, aber sehr weit und mächtig anstrengend. Na ja, ich konnte mich ja etwa sieben Monate davon erholen. Im März machte ich mich wieder auf den Rückweg. Das fiel mir schon etwas leichter, habe nämlich an Muskelmasse und Erfahrung gewonnen.


Upu-pup!

Aber noch etwas war geschehen. Ich spürte ein unbändiges Verlangen in mir, einem Weibchen zu imponieren. Zurück in der Heimat, setzte ich alles daran dieses Verlangen zu stillen. Ich flog in einen Baum, richtete meine Federkrone auf, reckte den Hals und ließ meine wunderschöne Stimme erklingen.

„Upu-pup“ schallte es durch Wald und Flur. Wieder und wieder ließ ich den Balzruf ertönen. Es wurde von Mal zu Mal besser. So war es nicht verwunderlich, dass sich schon bald eine attraktive Artgenossin blicken ließ. (Die sehen übrigens fast genauso aus wie wir Männchen, nur nicht ganz so farbintensiv.)

Diese ließ sich nicht nur von meiner Stimme betören, sondern war auch begeistert von meinem schmetterlingsartig gaukelnden Flug. Außerdem köderte ich sie mit einigen Leckerbissen in Form von Engerlingen und Spinnen.

Und schwupp, schon verschwanden wir in der Höhle eines alten Baumes. Was darin passierte, bleibt unser Geheimnis. Bald darauf legte meine Partnerin jenes Sommers sieben grau gesprenkelte Eier.

Da saß sie nun und brütete und ich schaffte Futter heran.

Erst nur für sie allein, dann hatte ich noch sechs weitere Schnäbel zu stopfen. Ein Junges hatte es nicht geschafft, aus dem Ei zu schlüpfen. Der Sommer war wunderschön und Futter reichlich vorhanden. So konnten wir nachdem die erste Brut flügge geworden war, schnell noch eine zweite folgen lassen.

Sehr anstrengend, sag´ ich euch. Dann packte mich auch schon wieder das Reisefieber und ich rauschte ab nach Afrika ins Winterquartier.

Am Rande sei noch erwähnt, dass mein wissenschaftlicher Name Upupa epops ganz viel mit meinem Balzruf zu tun haben soll.

Fotos: Dirk Dreyer

Im Niedersorbischen werde ich Hubbatz genannt. Ich möchte nicht näher auf den Ausspruch „du stinkst wie hubbatz“ eingehen, wollte es nur für ganz Wissbegierige erwähnt haben. Obwohl ich so ein cooler Vogel bin, habe ich leider auch Feinde. Marder und Greifvögel erwähnte ich bereits. Hinzu kommen Raben, Katzen, Wiesel und Schlangen.

Und nicht zuletzt, sondern zu allererst der Mensch. Alte Bäume mit Nisthöhlen sind selten geworden. Unbebaute Freiflächen zur Futtersuche auch. Zunehmender Verkehr, Luftverschmutzung, immer mehr Häuser, Straßen, Pestizide, Mountainbiker, Reiter und Crosser, die außerhalb der Wege meinen Lebensraum gefährden, machen mir und meinesgleichen das Leben schwer. Kein Wunder, dass ich auf der Roten Liste der bedrohten Tierarten stehe.


Zu guter Letzt

Klar gibt es auch Ausnahmen. Das sind Menschen, die uns mit kreativen Nisthilfen unter die Flügel greifen. Ich kenne Wiedehopfe, die diese Brutröhren und -kästen gerne annehmen. Ich finde Baumhöhlen viel besser und liebe es, ungestört auf Futtersuche zu gehen.

Nun aber genug geschwatzt. Die Balzsaison beginnt und ich da will ich wieder ganz vorne mitmischen.

Euer Wiede Hopf

P.S. Es steht geschrieben, dass Wiedehopfe so um die zehn Jahre alt werden kann. Aber verlasst euch drauf, ich werde alle eines Besseren belehren… upu-pup!

Text: Michaela Tiedt-Quandt

Blick in Blätterdach einer Buche

Die Buche – Baum des Jahres 2022

Die Buche (Fagus sylvatica)

Die Buche ist der Baum des Jahres 2022 !

Ein Grund mehr, der Mutter des Waldes über ihre silbergraue glatte Rinde zu streicheln. Diese ist im Verhältnis zu Rinden anderer Bäume ziemlich dünn. Bei intensiver Sonneneinstrahlung kann das für den Wassertransport von Wurzel zur Krone schon mal problematisch werden.

Deshalb schützt sich die Buche mit einem großen Blätterdach vor Austrocknung, was wiederum auch uns an heißen Sommertagen zugute kommt. So ein Päuschen am Stamm einer Buche wird dann zu einer kühlen Wohltat. …und erst der Blick am Stamm hinauf in die hohe Krone! Mit einer Wuchshöhe von 30 bis 35 Metern werden Rotbuchen stattliche Bäume. Ihr maximales Alter liegt bei 300 Jahren.

Die Blätter sind eiförmig und am Blattrand leicht beharrt. Jung sind sie essbar, genauso wie die Samen der Buche, die Bucheckern. In jeder Fruchthülle finden sich zwei dreieckige Nüsse. Sie enthalten bis zu 20% Öl und sind sehr gesund. Zuviel solltest du aber nicht naschen, denn der enthaltene Wirkstoff Fagin kann zu Vergiftungserscheinungen führen. Alle fünf bis acht Jahre tritt bei der Buche ein sogenanntes Mastjahr auf, in dem die Bäume Unmengen ihrer Früchte zu Boden fallen lassen.

Eine ausgewachsene Buche bildet eine riesige Blattoberfläche. Mit ihrem reichen Laubfall und der Duchwurzelung tiefer Bodenschichten sorgt sie für eine gute Bodenqualität in ihrer Umgebung. Daher wird sie von den Förstern auch oft als „Mutter des Waldes“ bezeichnet. Sie ist in ganz Mitteleuropa heimisch und natürlicherweise wäre der größte Teil Deutschlands von Buchen und Buchenmischwäldern bedeckt.

Buchecker

Die Buche verträgt viel Schatten, nur Tanne und Eibe verkraften noch mehr. Das macht sie zu einem beliebten Baum für den Unterwuchs beim Waldumbau von Monokulturen zu naturnahen Mischwäldern. Zu trocken oder zu nass darf der Boden allerdings nicht sein, im dauerfeuchten Auwald kannst du Buchen lange suchen. Frische und basenreiche, gut durchwurzelbare Böden sind ihr bevorzugtes Zuhause. Unter den mächtigen Baumriesen blühen vor dem Laubaustrieb Frühblüher wie Buschwindröschen, Seidelbast, Leberblümchen und Lungenkraut. Auf feuchteren Standorten gedeihen der Lerchensporn und der leckere Bärlauch.

LEBERBLÜMCHEN
BUSCHWINDRÖSCHEN
LUNGENKRAUT

Die Flora ist vielfältig, aber die Fauna noch zahlreicher!

Rund 7000 Tierarten, davon über 5000 Insekten, sind auf den Buchenwald angewiesen. Ein häufiger Vertreter ist der sogenannte Buchenstreckfuß. Die Raupe des unscheinbaren Nachtfalters ist wunderschön und leicht an ihrem roten Schwanz zu erkennen. Deshalb wird der Falter auch Buchenrotschwanz genannt.

Gerade Schnecken fühlen sich in einem Buchenwald aufgrund des feuchten Innenklimas besonders wohl und so kriechen an die 70 Arten durch einen Buchenwald. Ganz schön schleimig


Besonders in absterbenden Buchen tobt das Leben…

Zeichnung Schwarzspecht

Stehendes und liegendes Totholz bietet Lebensraum für über 250 Pilzarten und allerlei Käfer, wie zum Beispiel dem Buchenbock oder dem Kopfhornschröter. Wo Käfer vorkommen, sind auch die Vögel natürlich nicht weit! Schwarzspechte zimmern große ovale Höhlen, um zu brüten. Die Hohltaube zieht anschließend gerne als Nachmieter ein und auch Fledermäuse freuen sich über ein geeignetes Sommer- oder auch Winterquartier.

Die Kohlmeise, der Waldlaubsänger und Zwergschnäpper lieben alte Buchenwälder und natürlich auch ein Vogel, der seinen Namen von der Buche bekam, der Buchfink.

Spechtflöte

Der Erhalt von noch verbliebenden naturnahen Buchenwäldern ist für den Biotopschutz enorm wichtig. Somit sind Buchenwaldgesellschaften in die FFH Richtlinie aufgenommen worden und seitdem einem besonderen Schutz unterstellt.

Da ein alter Buchenwald auch weltweit ein sehr wertvolles Naturgut darstellt, wurden die letzten ihrer Art als UNESCO- Weltnaturerbe ausgewiesen. In Deutschland gibt es sogar fünf solcher Wälder, die diesen Status erhalten haben: der Serrahner Urwald und der Nationalpark Jasmund in Mecklenburg- Vorpommern, der Grumsiner Forst in Brandenburg,der Nationalpark Hainich in Thüringen undder Nationalpark Kellerwald-Edersee in Hessen.


Der Baum der Ahnen



Die Rotbuche hatte schon bei den Kelten eine wichtige Bedeutung.

Druiden nutzten Stäbe von der Buche wegen ihrer glatten Rinde, um Schriftzeichen (Runen) einzuritzen. Sie brauchten solche Buchenstäbe für Weissagungen. Die Zeremonien für derartige Orakel sollen sich folgendermaßen zugetragen haben: Die Druiden nahmen die Buchenstäbe und ließen sie auf einem heiligen Tuch wie ein Mikado fallen. Dann zogen sie je nach Fragestellung bzw. Thema mehrere dieser Stäbe auf und deuteten die Konstellation für den Blick in die Zukunft.

Auf dieses Ritual ist wahrscheinlich die Bezeichnung unserer Schriftzeichen zurückzuführen: „BUCHSTABE“!

Leider führen viele Unwissende diese „Tradition“ auch heute noch fort und hinterlassen ihre Initialen in der Buchenrinde. Damit schaden sie dem Baum, denn durch die Rindenverletzung können Pilzsporen eindringen, die dann Zersetzungsprozesse in Gang bringen.

Das erste „BUCH“ bestand übrigens aus zusammengehefteten Buchenholztafeln, deshalb sprechen wir auch heute noch von Büchern, wenn wir gebundene Schriftstücke meinen.

Doch nicht nur Alltagsgegenstände wurden nach der Buche benannt, auch die Namen von ca. 1.500 Ortschaften in Deutschland zeugen von der ursprünglichen Ausbreitung und Häufigkeit der Rotbuche. Wohnst du vielleicht auch in solch einem Ort? Nicht zuletzt weisen auch viele Familiennamen wie Buchholz, Buchmann oder Bucheit auf die ehemalige Verbundenheit der Menschen mit dem schönen alten Baum hin.

Um ganz genau zu sein, heißt er aber Fagus sylvatica, die Rotbuche. Aber warum eigentlich rot? Tatsächlich zeigt sich im frischen Buchenholz eine rötlich-weiße Farbe. Es besitzt eine hohe Härte und ist wenig elastisch. Daher findet es bis heute unter anderem Verwendung für die Herstellung von Werkzeugen, Möbeln, Holzspielzeugen, Parkett und im Treppenbau.


Buchenholz als Rohstoff

Buchenholz verfügt über einen hohen Brennwert. Das wussten bereits unsere Vorfahren, die in vielen Köhlereien Holzkohle für die Erzverschmelzung herstellten, sowie auch die Holzasche für die Produktion von Glas benötigten. Dieser damalige Raubbau in unseren Wäldern ist einer der Gründe, warum heute viele Waldflächen in Deutschland von Monokulturen geprägt sind und nur noch wenige alte Buchen vorhanden sind.

Heute wird Buchenholz immer noch zu hochwertiger Holzkohle verarbeitet und Buchenspäne sind nach wie vor für die Produktion von Räucherware (z.B. Fisch, Schinken) sehr begehrt. Für den Außenbereich ist das Holz der Buche ohne Schutzbehandlung nicht geeignet, da es besonders anfällig für Pilzbefall ist. Schwächeres Buchenholz wird in der Zellstoff- und Papierindustrie, als auch für Span- und Faserplatten verwendet.


Wie geht es der Buche heute im Rahmen des Klimawandels?

Aufgrund der intensiven Trockenjahren (2018, etc.) sind die tieferen Bodenwasserspeicher erschöpft. Die Bäume können nicht genügend Feinwurzeln nachbilden, welche für eine gute Wasserversorgung essentiell sind. Weniger Feinwurzeln senken zudem die Symbiose-Wahrscheinlichkeit mit Mykorrhizapilzen, was letztendlich zu einem Absterben beider Partner führen kann. Auch im oberen Teil des Baumes ist der Trockenstress erkennbar: spärliches Laub, Kronenverlichtungen, abgestorbene Kronenteile und viele Grünabbrüche.

Der Klimawandel fördert außerdem neue Baumkrankheiten. Bei der Buche vermehrt sich der sogenannte Buchenschleimfluss, welcher viele Symptome auf sich vereint und daher als Komplexkrankheit eingeordnet wird.

Vielerorts werden wohl die Buchen auf kärgeren Standorten verschwinden und von trockenresistenteren Baumarten (z.B. Traubeneiche, Winterlinde) abgelöst. Nach wie vor ist die Buche jedoch eine wichtige und unverzichtbare Baumart im Rahmen des Waldumbaus, vor allem in Mischbeständen. So werden vielerorts Pflanzaktionen durchgeführt, um die vielen Kiefern- und Fichtenmonokulturen mit Laubbaumarten zu durchmischen. Dabei spielt die Rotbuche eine wichtige Rolle!

Demzufolge dient die „Mutter unserer Wälder“ als Hoffnungsträgerin, welche dem Wald und uns allen Zuversicht spendet und Heimat gibt! Diese Aspekte waren vielleicht auch ausschlaggebend, dass die Rotbuche von der Dr. Silvius Wodarz Stiftung bereits zum zweiten Mal zum BAUM DES JAHRES gewählt wurde.

Falls du Interesse hast, als Freiwillige*r an Pflanz- und Waldpflegeprojekten teilzunehmen, bist du beim Bergwaldprojekt e.V. an der richtigen Adresse. Hier ein paar Impressionen von einer Pflanzaktion 2021 am Gorinsee.


Baumsteckbrief Buche
(link zu Wald.de)

Die Buche als Heilpflanze
(Link zu VorsichtGesund.de)

Der Berliner Klimapfad

Die Freiluftausstellung „Wald.Berlin.Klima.“
im Grunewald

~0,5 ha Wald können den CO2-Ausstoß einer Berliner:in ausgleichen

Die Klimakrise ist aktueller denn je. Die Zahl der Extremwetter-Ereignisse nimmt zu – die Auswirkungen des Klimawandels sind nun auch hier in Deutschland zu erkennen.

Es ist in diesem Kontext umso bedeutender, sich selbst mit Ökologie, der Natur und dementsprechend auch dem Wald auseinanderzusetzen. Das ist über viele verschiedene Wege möglich: Online oder durch Literatur, aber natürlich auch im Fernsehen. Es gibt aber auch den Weg in und durch den Wald, der im Rahmen der thematischen Auseinandersetzung oft vergessen wird.

Denn auf den ersten Blick erscheint es, als würde ein höherer Zeit- und Kraftaufwand entstehen, als sich von der wortwörtlich von der Couch zu informieren, was für viele aufgrund des hektischen (Stadt)Lebens lukrativ erscheint.

Es stimmt allerdings auch, dass wir uns eine ganz neue Welt eröffnen, wenn wir uns dann mal die Zeit für einen Ausflug in den Wald nehmen.  Denn der Wald ist seit jeher ein sehr friedvoller und entwaffnender Ort, wenn seine Besucher die nötige Zeit und Lust mitbringen.

Ich hatte das Glück, mich im Rahmen meines FÖJ’s* an der Waldschule Plänterwald mit dem Thema Wald – und in diesem Fall konkret mit der Ausstellung im Grunewald – auseinandersetzen zu dürfen.

Karte Klimapfad
Haupteingang des Klimapfades

Unweit vom Grunewaldturm lädt die Palisadenwand auf einen erholsamen, gleichzeitig aber auch sehr informativen Waldspaziergang ein.

Insgesamt 11 Stationen (über ungefähr 4 Kilometer) decken ein breites Spektrum an Themen ab, von Moorentstehungen und Waldfenstern bis zum generellen Ökosystem Wald und seiner Bedeutung im Kampf gegen den Klimawandel. 

Praktisch ausgewiesen mit orangenen Pfeilern, ist der Pfad auch für junge Interessent:innen geeignet, zudem wurde bei den Ausstellungsstationen viel Wert auf Inklusion gelegt.



Meine persönlichen Highlights des Waldspaziergangs sind der ,,Trinkwasserbrunnen” und der ,,Kohlenstoffspeicher Baum”.  Ich möchte insgesamt festhalten, dass die Ausstellung ,,Wald.Berlin.Klima” im Grunewald neben den generellen Berührungen mit dem Wald überhaupt, zusätzlich eine tolle Möglichkeit zur Umweltbildung mit Beispielen aus erster Hand darstellt.


Text und Fotos:

Jonah Schütz-Jalloh
*Teilnehmer am Freiwilligen Ökologischen Jahr (FÖJ) 2021/22

Waldbaden

Waldbaden

nur eine Modeerscheinung?

Ich gebe es zu, als ich das Wort „Waldbaden“ das erste Mal vernommen habe, musste ich grinsen: „Wieder so ein neumodisches Wort!“
Doch dann wurde mir bewusst, dass der Begriff schon viel Wahres in sich hat:
Der Wald ist ähnlich wie Wasser über mir, neben mir und um mich herum. Ich kann Düfte aufnehmen, Geräuschen lauschen, Waldbeeren naschen und meine Seele so richtig baumeln lassen- eben ähnlich wie bei einem erholsamen Wannenbad mit Badeschaum, Musik und einem Glas Wein…
Deshalb beschäftigte ich mich mehr mit dem Thema:

Ein Blick in die Baumkronen

„Nehmse jrün, dit hebt!“

Dieser alte berlinische Slogan könnte auch für`s Waldbaden stehen, denn ein Waldaufenthalt tut erwiesenermaßen nicht nur dem Körper, sondern auch der Seele gut.

Was früher instinktiv gemacht wurde, wird heute in vielen wissenschaftlichen Studien belegt: Wald hält gesund!!

Die Untersuchungen ergaben detaillierte Erkenntnisse, wie Waldfarben, Walddüfte oder Waldgeräusche auf die Gesundheit und das Wohlbefinden des Menschen einwirken können.

Mit Waldbaden wurde eine Methode entwickelt, welche diese Studienergebnisse berücksichtigt hat. Sie sollte vor allem im prophylaktischen Sinne angewandt werden, kann aber auch leichte gesundheitliche Irritationen lindern und Heilprozesse unterstützen.
Es wurden dementsprechend Übungen entwickelt, die sich teilweise an den asiatischen Fitnesssportarten wie Qi Gong, Pilates oder Yoga anlehnen. Das ist in gewisser Weise auch naheliegend, wurde doch das Waldbaden als Shinrin Yoku in Japan kreiert bzw. entwickelt.

Prinzipien des Waldbadens


Verweilen im Wald bei dem sich alle Sinne öffnen durch:

  • Absichtslosigkeit („Ich ging im Wald so für mich hin….“ J.W. Goethe)
  • Achtsamkeit (im Hier und Jetzt sein)
  • Langsamkeit (Schlendern)

Damit die vielfältigen Übungen und Aktivitäten fachgerecht und verantwortungsvoll umgesetzt werden können, bieten bereits mehrere Institutionen Ausbildungen zum/r „Waldbademeister:in“ an. Deren Absolvent:innen laden nun schon zu zahlreichen betreuten Waldaufenthalten ein.

Auch im Winter Badesaison

Achtsamkeitslehrpfad

Ein originelles Angebot kommt von der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald. Sie entwickelte einen Achtsamkeitspfad für jederzeit, überall und jede/n Interessierte/n.

Das „Waldbadeerlebnis der besonderen Art“ ist zum Downloaden und regt mit acht Übungen zur Sinnesschulung an. Es kann ausgewählt werden, ob die Anleitungen mit hoher oder tiefer Stimme gesprochen werden sollen.
https://www.sdw.de/wald-entdecken/aktivitaeten/achtsamkeitspfad/

Ich möchte hiermit alle Leser:innen dieses Beitrages einladen, sich auf solch ein ungewöhnliches Experiment einzulassen und den SDW- Achtsamkeitspfad auszuprobieren. Ich wünsche dabei viel Spaß, gute Erholung und einen entspannten Aufenthalt im Wald Ihrer Wahl!!

Carola Fabian
WS Plänterwald

“In den Wäldern sind Dinge, über die nachzudenken, man jahrelang im Moos liegen könnte.”

Franz Kafka


Nähere Informationen zum Thema:


https://www.waldbaden-eifel.de/ueber-das-waldbaden/index.html

https://www.pharmazeutische-zeitung.de/besuch-bei-dr-wald/

https://www.nabu.de/natur-und-landschaft/natur-erleben/natur-tipps/27790.html

Sommerzeit – Holunderzeit

SOMMERZEIT – HOLUNDERZEIT

Holunderblüten

Ein betörender Duft liegt in der Luft

…als ich am Nachmittag über die Wiese streife. Schon von weitem leuchten mir vor blauem Himmel die cremeweißen Dolden meines Lieblingsstrauches entgegen: der Holunder blüht!

Es ist einer der typischen Sommerdüfte: süßlich, ein wenig nach Erde, irgendwie schwer und doch leicht flüchtig… unbeschreiblich. Von etwa Mai bis Juli öffnen sich nach und nach an den Holundersträuchern unzählige Blütendolden. Diese Trugdolden sind aus Unmengen kleiner weißen Blütensternchen zusammengesetzt und jedes dieser Blütensternchen trägt 5 pollenreiche Staubblätter, die diesen intensiven Geruch verströmen.

Das schaue ich mir mal genauer an, denn ich möchte ja gerne auch dieses Jahr wieder diesen Sommerduft in leckerem Sirup konservieren. An grauen Herbst- und Wintertagen kann ich dann mit einem Glas heissem oder kaltem Holunder das Gefühl von Sommer und Wärme wieder heraufbeschwören…

Doch der den Sommerduft bewahrende Blütensirup ist nur ein Teil von dem, was dieser Strauch zu bieten hat.

Holunderblütensirup

Ein Strauch  – viele Namen

Sehr wahrscheinlich stammt der Name Holunder vom althochdeutschen Namen „Holuntar“ – heiliger Baum – ab.  In Süddeutschland heißt er Holder oder Hollerbusch, in Norddeutschland nennt man ihn Eller oder Ellhorn, in England „elder“. Auch Flieder oder Fliederbusch heisst er – ist aber mit dem uns bekannten lila Flieder gar nicht verwandt.

Mit „Attich“ ist meist der kleine Bruder, der Zwergholunder gemeint, mit „Hirschholunder“ der Rote Holunder mit seinen leuchtend roten Beerentrauben. Beide sind weit weniger verbreitet.

Der botanische Name „sambucus“ könnte auf die „Sambyke“ zurückzuführen sein, ein altgriechisches Musikinstument aus Holunderholz.

Frau Holle und ihr Holunder

Aber natürlich kann der Holunder seinen Namen auch von der germanischen Göttin „Holla“ erhalten haben, die vor langer Zeit im süddeutschen Raum verehrt wurde. „Holla“ wurde als gütige Göttin der Erde und des Himmels verehrt, sie ist zuständig für Wetter und Jahreszeiten, sowie für die Fruchtbarkeit der Felder, der Tiere und der Menschen. Sie ist auch die Herrscherin der „Anderswelt“, der Geister der Toten, der Zwerge und Gnome.
Sie erscheint in unterschiedlichster Gestalt – als schöne junge Frau, als gute Mutter oder auch als alte, gruselige Hexe.

Jedes Kind kennt das Märchen von Frau Holle, die als gute Herrin einer anderen Welt die fleissige Goldmarie belohnt und die unfreundliche Pechmarie straft, bevor sie sie wieder ins eigene Dorf und ins eigentliche Leben zurückschickt.

Verschiedene Wege führen die Seelen der Menschen zur Holla – Brunnen, Höhlen, Sümpfe oder eben auch: der Holunder.

Seine Wurzeln reichen weit in die Erde – dort wo die Geister und Seelen der  Verstorbenen wohnen. Die leichten hohlen Zweige und Äste strecken sich zum Licht hin in den Himmel und die Knospen treiben ganz zeitig im Frühjahr aus. Die Blüten sind weiss, luftig leicht und duftig, die Beeren schwarz und kernig.

Schwere und Leichtigkeit, Leben und Tod, Gesundheit und Krankheit, Weiß und Schwarz bilden bei diesem Strauch keine Gegensätze, sondern sind eng miteinander verwoben.

Hollunderstrauch

Verbindungen zur Unterwelt

Der Holunder wurde sehr verehrt. Man glaubte, schon allein das Beschneiden des Strauches würde Unheil bringen, denn dann könnten böse Geister und Krankheiten aus der Erde entweichen.

Umgekehrt leiten die Wurzeln des Holunderstrauches – so glaubten alten Germanen und Kelten – die Seelen der Verstorbenen hinunter ins Reich der Toten. Die alten Friesen begruben deshalb gerne ihre Toten unter einem Holunderstrauch.

Der Hofholunder galt als Verbindung zu den Vorfahren und Ahnen der Familie. Man stellte ihnen, um ihr Wohlwollen zu erbitten oder um Rat zu fragen, Schälchen mit Milch und Brot unter den Strauch. Wurde jemand im Haus schwer krank, so wurden den Ahnen Opfergaben gebracht. Wenn der Kranke wieder gesund wurde, gab es ein Dankeschön. Verdorrt der Hofholunder, wird jemand im Haus sterben – war eine landläufige Meinung.

Verstorbene wurden auf Holunderreisig aufgebahrt, der Sargschreiner nutzte einen Messstab aus Holunderholz, um den Sarg auszumessen und der Kutscher, der den Sarg zum Friedhof brachte, trieb die Pferde mit einer Gerte aus Holunderholz an. In Tirol steckte man auf das Grab ein Kreuz aus Holunderholz – wenn es Wurzeln schlug und grünte, wussten die Angehörigen: der liebe Verstorbene ist selig geworden.

Selbst der mächtige Zauberstab der Harry-Potter-Bücher – einer der drei Heiligtümer des Todes – der „Elderstab“ ist – wie der Name schon sagt – aus dem Holz des Holunders.

Ringel, ringel, reihe…

Holunder ist ein äußerst vitales und widerstandsfähiges Gewächs. Wo er einmal Fuß gefasst hat, ist er kaum wieder zu beseitigen und kommt immer wieder.

Nachbars Kinder und Nachbars Holunder
bannest du nie auf Dauer
schließt du ihnen die Tür – oh Wunder –
klettern sie über die Mauer…
(Sprichwort)

So wuchsfreudig ist der Strauch, dass er heutzutage gelegentlich schon wieder als beeinträchtigender „Wildwuchs“  in forstlichen Kulturen und Anpflanzungen betrachtet wird.

Holunder im Wald

Die Zeit der Sonnenwende und der Holunderblüte ist die Zeit der Liebe und Fruchtbarkeit. Im Thüringer Wald heißt es: „um Johanni blüht der Holler – da wird die Liebe noch doller.“

Auch der alte Abzählreim „Petersilie, Suppenkraut  …..unter einem Hollerbusch gab sie ihrem Schatz nen Kuss. Roter Wein und weißer Wein, morgen soll die Hochzeit sein…“ zeigt, dass Holunder und Liebe wohl irgendwie zusammen gehören.

In einigen Gebieten schüttelten die jungen Mädchen zur Sommersonnenwende die Zweige des Holunders, damit er ihnen im Traum ihren Zukünftigen verrate. Traditionell wurden und werden um die Sonnenwende herum „Hollerküchlein“ aus den Blütendolden gebacken, denn der Duft des Holunders soll Liebe und Lust wecken.

Womöglich hat das dann Folgen, denn in einem alten Kinderlied singt man:

Ringel, ringel, reihe
wir sind der Kinder dreie
sitzen unterm Hollerbusch,

machen alle husch, husch, husch

Frau Holle, die Königin der „Anderswelt“ schickt nämlich die dort wohnenden Seelen zu gegebener Zeit wieder in die Lebenswelt zurück. Am besten durch den Holunder, wo die kleinen Seelchen dann nur darauf warten, dass die zukünftige Mutter den Strauch berührt. Und husch, husch, husch – schlüpfen sie in ihren Schoß.

Giftiges Heilmittel

Seit alters her ist der Holunder der Besiedelung durch den Menschen gefolgt. Es gab wohl keinen Hof, auf dem der Holunder nicht wuchs.
Wie Frau Holle ist auch er den Menschen wohl gesonnen und tut ihnen Gutes.

Rinde, Beere, Blatt und Blüte
jeder Teil ist Kraft und Güte.
Jeder segensvoll”
(Sprichwort)

Der Holunder galt als Schutzbaum und wurde mit seinen Blättern, Blüten, Früchten und Rinde als Hausapotheke sowie als Obstbaum genutzt.
Aber Vorsicht! Was in geringen Mengen und nach dem Kochen durchaus heilsam sein ist, kann in größeren Mengen oder „roh“  ziemlich unangenehm werden! Beeren, Samen, Blätter und Rinde enthalten einen Giftstoff, das Sambunigrin. Es zerfällt beim Erhitzen und wird unwirksam. Ungekocht verspeist, ist mit schweren Magen-Darm-Verstimmungen zu rechnen!

Tee aus den getrockneten Blüten wurde ist wirksam gegen Erkältungskrankheiten, harn- und schweisstreibend und fiebersenkend – unabdingbar zu Zeiten ohne Antibiotika und Krankenversicherung

Hollunderblütenknospen
Holunderbeeren

Aus den im Hochsommer gesammelten, frischen Blättern ließ sich Salbe herstellen – anzuwenden bei Prellungen, Quetschungen und Frostbeulen. Gekochte Blätter wurden bei Brustentzündungen aufgelegt.

Aus den im Spätsommer überreich vorhandenen schwarzen Beeren wurde als Vorbereitung auf den kalten Winter Suppe, Mus und Saft gekocht,  eine vitamin- und mineralstoffreiche Bereicherung des Speiseplans, gleichzeitig hilfreich bei Ischias, Rheuma und Gicht. Geröstete Beeren waren den Winter über wichtige Vitamin-C-Spender!

Die im Herbst gesammelte Rinde nutzten unsere Vorfahren zur innerlichen Reinigung. Ein daraus hergestellter Sud verursachte entweder arge Durchfälle oder führte Erbrechen herbei. Beides wirkte entgiftend und entschlackend, war aber in der Wirkung wohl unangenehm heftig. Deshalb: lieber nicht ausprobieren!

Aber nun geht es erst einmal ans Blütenpflücken

Wenn die kleinen Blüten schön gelb vom Blütenstaub sind, ist es die richtige Sammelzeit. Traditionell wurden die Blüten an Johanni (23. Juni) um 12 Uhr mittags gepflückt.

Sie lassen sich gut mit einer Schere oder einem Schnitzmesser abschneiden. Verlauste Dolden lasse ich gleich am Strauch. Läuse sind wichtig für Ameisen und viele verschiedene Vogelarten! Und bei der Menge an Dolden kommt es darauf nicht an! Schließlich freuen sich Bienen, Hummeln und andere Insekten auch über Pollen und Nektar.

Kleine, schwarze, sehr flinke Kurzflügler oder Spinnen fege ich vorsichtig mit einem feinen Pinsel heraus, wenn sie im Korb nicht freiwillig die Flucht ergreifen. Auf das Waschen der Dolden wird verzichtet, denn damit würde ich nur die duftenden Pollenkörnchen wegschwemmen!

Der Korb ist schnell voll – ich habe nun genug für Sirup, Blütentee und ein paar Holunderküchlein. Und ich freue mich schon auf die Beerenernte im Herbst – auf Marmelade, Mus und Suppe!

Holunderblüten
Flöte aus Holunderholz

Weil ich das Schnitzmesser schon zur Hand habe, setz ich mich hin und bastle ich mir noch ein kleines Pfeiferl aus einem Holunderzweig.

Mal sehen, vielleicht hat es ja magische Kräfte und der Hund hört drauf!


Weitere spannende Infos, leckere Rezepte und Schnitzanleitung

Literatur

Wolf-Dieter Storl: Die Pflanzen der Kelten; Menssana 2010

Wolf-Dieter Storl: Kräuterkunde; Aurum 2015

Elvira Grudzielski: Die heilende Kraft der Bäume;  Demmler-Verlag 2013

Krystin Liebert: Holunder; Demmler Verlag 2009

Wolf-Dieter Storl: Die alte Göttin und ihre Pflanzen, Kailash-Verlag 2014

Diane Dittmer: Wald- und Wiesen-Kochbuch  GU-Verlag München 2014

https://engelundelfen.com/natur/ueber-baeume/der-holunder

https://www.mein-schoener-garten.de/lifestyle/gesund-leben/holunderbeeren-giftig-oder-essbar-36186

Rezepte

https://www.chefkoch.de/rezepte/362271121684042/Holundersirup.html

https://www.kochbar.de/rezepte/holunderbl%C3%BCtensirup.html

Holunderpfeiferl schnitzen