Igitt! Was riecht hier so?
Die Stinkmorchel – Pilz des Jahres 2020

Immer der Nase nach…
Ist dir schon einmal aufgefallen, dass es im Wald manchmal ganz schön stinkt?
So richtig doll und irgendwie nach totem Tier?
Wenn ich diesen seltsamen und etwas ekligen Geruch wahrnehme, mache ich mich am liebsten sofort auf die Suche…..
Wo kommt der Wind her, der mir diesen Geruch zuträgt? Vorsichtig – damit ich nichts zertrete – schleiche ich mich in diese Richtung und – aha! – da steht sie auch schon in voller Pracht: die Stinkmorchel!
Und ich muss feststellen: andere waren viel schneller als ich. Schnecke, Fliegen, Mist- und andere Käfer sind bereits kräftig am Futtern.

Tierischer Transport
Die Fliegen – das sehe ich – mögen am liebsten diese komische grüne Glibberschicht, mit der das glockenförmige Hütchen bedeckt ist. Und genau das beabsichigt die stinkende Morchel!
Diese übelriechende, grüne Masse beinhaltet nämlich die Sporen des Pilzes, die durch aasliebende Insekten wie diese Fliege weit verbreitet werden.
Irgendwoanders wächst aus diesen Sporen im Boden ein neues Geflecht von „Pilzmycel“ oder „Pilzwürzelchen“ heran. Und daraus entsteht bei günstigen Bedingungen vielleicht wieder eine neue Stinkmorchel…
Bei den meisten Pilzen sorgt der Wind für die Verbreitung der Sporen.
Die Stinkmorchel hat da ihre eigene Strategie entwickelt. Funktioniert offensichtlich ganz prima.
Hexeneier
Aber eigentlich suche ich noch etwas anderes! Und tatsächlich: nahe dem fertigen Pilz sind Laub und Moos auffällig aufgewölbt und es schimmert etwas Weisses durch. Vorsichtig grabe ich es aus, das HEXENEI!
Es ist ungefähr so groß wie ein grosses Hühnerei. Gleich einen halben Meter weiter finde ich noch eines! Das reicht mir aber auch, ich will ja den Tieren nicht ihr Essen wegnehmen.
Diese „Hexeneier“ sind die noch ganz jungen Stinkmorcheln. Und die riechen gar nicht – bestenfalls ein wenig nach frischer Erde mit einem Hauch von Rettich. Der Stiel und die grüne Sporenschicht sind in diesem Ei noch ganz fest und klein und von einer Hülle umgeben, die mich an Gelatine erinnert.
Diese Hülle schützt das empfindliche Innere vor Wasser und Luft. Denn erst wenn der Pilz schön gross ist, soll sich der typische „Duft“ an der Luft entfalten und all die sporentransportierenden Tierchen anlocken. Die Stinkmorchel wächst nämlich ganz schön schnell. Morgens noch als Ei im Boden, steht sie mittags aufgerichtet da und ist nachmittags bereits fast aufgefressen.

Nicht nur für Fliegen genießbar!
Und letzteres – nämlich das Aufessen – ist auch mein Plan.
Zuhause pelle ich die Gallertschicht sauber ab, schneide das Innere in dünne Scheiben und belege mein Butterbrot damit. Eine Prise Salz darüber – fertig ist meine Brotzeit.
Schmeckt ein bißchen nach knackigen, zarten Radieschen.
Ich finde, Hexeneier sind eine kleine Delikatesse. Man sollte sie nur ganz frisch essen und erst gar nicht in den Kühlschrank legen. Man sie auch in Scheiben schneiden und in der Pfanne braten. Auch lecker!
Die Stinkmorchel wird in der Naturheilkunde und auch der traditionellen Chinesischen Medizin als Heilpilz zur Behandlung von Gicht und Rheumatismus betrachtet. Im Volksmund nennt man sie deshalb auch „Gichtmorchel“.
Wegen Form und Geruch heißt sie manchmal „Leichenfinger“. Wächst sie auf einem Grabhügel, soll der Verstorbene seine ungesühnten Untaten mit ins Grab genommen haben.
Die Deutsche Gesellschaft für Mykologie e.V. wählte die Stinkmorchel zum Pilz des Jahres 2020 – auch, um mit diesem beeindruckenden Pilz auf das Insektensterben aufmerksam zu machen!
Mit der Speisemorchel ist sie übrigens nicht verwandt, die beiden sehen sich nur entfernt ähnlich.