Der Wiedehopf – Vogel des Jahres 2022

Darf ich mich vorstellen…?
Mein Name ist Hopf, Wiede Hopf.
Ich fühle mich sehr geschmeichelt, zum Vogel des Jahres 2022 gekürt worden zu sein. Aber ganz ehrlich, das wurde aber auch mal wieder Zeit. Gibt es doch keinen einheimischen Vogel, der mir das Wasser reichen kann. Das muss hier mal in aller Bescheidenheit dargelegt werden.
Wie es begann
Aber der Reihe nach…
Vor zwei Jahren bin ich aus einem eher unscheinbaren grau gesprenkelten Ei geschlüpft. Etwa 18 Tage hat es gedauert bis ich mit meinem zarten Schnabel die Schale durchstoßen konnte und mich in einer kuschligen Baumhöhle wiederfand.
Den Platz dort musste ich mit meinen vier Geschwistern teilen, genauso wie das Futter. Das schleppte mein Vater unermüdlich heran, denn meine Mutter sorgte mit ihrem warmen Federkleid dafür, dass wir noch ziemlich kahlen Vogelbabys nicht auskühlten.
Als uns dann nach ungefähr zehn Tagen ein weicher Federflaum umschloss, machte sich auch unsere Mutter daran unseren unbändigen Hunger zu stillen. Meist waren es Insekten, die uns in den Schlund gestopft wurden.

Ganz so harmonisch wie das klingt, war das allerdings nicht. Eines Tages bekamen wir äußerst unangenehmen Besuch. Ein Marder hatte wohl großen Appetit auf zartes Geflügel. Dem haben wir es aber gezeigt! Wir gaben zischende Geräusche von uns, wie Schlangen. Da hat der Kerl schon ganz schön verdutzt geschaut. Aber als wir dann auch noch ein stinkendes Sekret aus unseren Bürzeldrüsen spritzen ließen, suchte der Marder schnell das Weite. Übrigens verfügt unsere Mutter auch über so einen Stink-Abwehr-Mechanismus.
Die Redewendung der Menschen „Du stinkst wie ein Wiedehopf“ entstammt wohl dieser Tatsache.

Auf eigenen Beinen
Nach etwa 28 Tagen wurden aus uns Nestlingen, Ästlinge. Eigentlich erklären die Namen alles. Erst im Nest, dann raus ins Geäst. Dort wurden wir noch fünf Tage gefüttert. Dann war Schluss mit lustig und wir mussten selbst für uns sorgen.
Der Wald mit seinen hohen alten Bäumen bot Schutz und auf freien Flächen suchte ich mir meine Nahrung. Ihr glaubt nicht, was es dort Leckeres zu finden gibt.
Käfer, Grillen, Heuschrecken, Schmetterlingsraupen, Spinnen, Larven und sogar Eidechsen und Regenwürmer pickte ich mit meinem leicht gebogenen sechs Zentimeter langen Schnabel aus der Erde.
Mächtig prächtig
Aus mir wurde ein prächtiges Kerlchen. Mit achtundzwanzig Zentimetern Länge, bin ich etwa so groß wie eine Drossel. Wirke aber deutlich größer und bin weitaus schöner.
Meinen Kopf ziert eine Haube, orange-braun gefärbt mit schwarzen Spitzen. Auch mein Gesicht, Hals und Nacken strahlen in warmen Orangetönen. Mein Rücken, inklusive der Flügel leuchten vornehm in schwarz/weiß. Mein prächtiges Erscheinungsbild wird von glänzend schwarzen Schwanzfedern abgerundet.
Wenn Menschen mich sehen, klappt ihnen der Unterkiefer herunter und sie bekommen vor Staunen kein Wort heraus
In der freien Landschaft auf Nahrungssuche, birgt das natürlich auch so seine Gefahren. Für Greifvögel wäre ich ein gefundenes Fressen. Aber trotz meiner auffälligen Färbung gelingt mir ein Trick immer gut. Wenn ich mir der Gefahr bewusstwerde, drücke ich mich flach auf den Boden und breite dabei die Flügel aus, erhobenen Hauptes erstarre ich.
Und ob ihr´s glaubt oder nicht, dabei verschmelze ich so mit dem Untergrund, dass der Greif keine Chance hat mich zu finden.

Als die Tage wieder kürzer und die Nächte kälter wurden, packte mich die Reiselust. Es muss so im August gewesen sein, als ich meine prächtigen Flügel ausbreitete, mich in die Lüfte erhob und gen Afrika segelte. Hui, war das schön, aber sehr weit und mächtig anstrengend. Na ja, ich konnte mich ja etwa sieben Monate davon erholen. Im März machte ich mich wieder auf den Rückweg. Das fiel mir schon etwas leichter, habe nämlich an Muskelmasse und Erfahrung gewonnen.


Upu-pup!
Aber noch etwas war geschehen. Ich spürte ein unbändiges Verlangen in mir, einem Weibchen zu imponieren. Zurück in der Heimat, setzte ich alles daran dieses Verlangen zu stillen. Ich flog in einen Baum, richtete meine Federkrone auf, reckte den Hals und ließ meine wunderschöne Stimme erklingen.
„Upu-pup“ schallte es durch Wald und Flur. Wieder und wieder ließ ich den Balzruf ertönen. Es wurde von Mal zu Mal besser. So war es nicht verwunderlich, dass sich schon bald eine attraktive Artgenossin blicken ließ. (Die sehen übrigens fast genauso aus wie wir Männchen, nur nicht ganz so farbintensiv.)
Diese ließ sich nicht nur von meiner Stimme betören, sondern war auch begeistert von meinem schmetterlingsartig gaukelnden Flug. Außerdem köderte ich sie mit einigen Leckerbissen in Form von Engerlingen und Spinnen.
Und schwupp, schon verschwanden wir in der Höhle eines alten Baumes. Was darin passierte, bleibt unser Geheimnis. Bald darauf legte meine Partnerin jenes Sommers sieben grau gesprenkelte Eier.
Da saß sie nun und brütete und ich schaffte Futter heran.
Erst nur für sie allein, dann hatte ich noch sechs weitere Schnäbel zu stopfen. Ein Junges hatte es nicht geschafft, aus dem Ei zu schlüpfen. Der Sommer war wunderschön und Futter reichlich vorhanden. So konnten wir nachdem die erste Brut flügge geworden war, schnell noch eine zweite folgen lassen.
Sehr anstrengend, sag´ ich euch. Dann packte mich auch schon wieder das Reisefieber und ich rauschte ab nach Afrika ins Winterquartier.
Am Rande sei noch erwähnt, dass mein wissenschaftlicher Name Upupa epops ganz viel mit meinem Balzruf zu tun haben soll.


Im Niedersorbischen werde ich Hubbatz genannt. Ich möchte nicht näher auf den Ausspruch „du stinkst wie hubbatz“ eingehen, wollte es nur für ganz Wissbegierige erwähnt haben. Obwohl ich so ein cooler Vogel bin, habe ich leider auch Feinde. Marder und Greifvögel erwähnte ich bereits. Hinzu kommen Raben, Katzen, Wiesel und Schlangen.
Und nicht zuletzt, sondern zu allererst der Mensch. Alte Bäume mit Nisthöhlen sind selten geworden. Unbebaute Freiflächen zur Futtersuche auch. Zunehmender Verkehr, Luftverschmutzung, immer mehr Häuser, Straßen, Pestizide, Mountainbiker, Reiter und Crosser, die außerhalb der Wege meinen Lebensraum gefährden, machen mir und meinesgleichen das Leben schwer. Kein Wunder, dass ich auf der Roten Liste der bedrohten Tierarten stehe.

Zu guter Letzt
Klar gibt es auch Ausnahmen. Das sind Menschen, die uns mit kreativen Nisthilfen unter die Flügel greifen. Ich kenne Wiedehopfe, die diese Brutröhren und -kästen gerne annehmen. Ich finde Baumhöhlen viel besser und liebe es, ungestört auf Futtersuche zu gehen.
Nun aber genug geschwatzt. Die Balzsaison beginnt und ich da will ich wieder ganz vorne mitmischen.
Euer Wiede Hopf
P.S. Es steht geschrieben, dass Wiedehopfe so um die zehn Jahre alt werden kann. Aber verlasst euch drauf, ich werde alle eines Besseren belehren… upu-pup!
Text: Michaela Tiedt-Quandt
Wunderschöner Vogel. In der Region Osnabrück von mir noch nie gesichtet. Schnief! LG